Lange bevor das Lastenrad schick und die Wirtschaft darauf aufmerksam wurde, war es bereits Teil der Fahrrad-Subkultur. Ein kleiner Ausflug zu den Anfängen des Lastenrad-Sharing

ZEITREISE: Mario Sedlak
Vor zehn Jahren war es in Wien leicht möglich, sich einen Lkw auszuborgen, nicht aber ein Lastenrad. Harald, Daniel und Konrad aus der Wiener Fahrradszene erkannten: Das ist ein Hindernis auf dem Weg zu einer ökologischen Stadt. Um den Missstand zu beseitigen, gründeten sie im Jahr 2010 das Lastenradkollektiv. Den Anfang machte ein selbst gebasteltes Lastenrad namens „Long Jane“, das gegen freie Spende verliehen wurde. Die Gruppe wuchs rasch. Inzwischen ist die Wiener Flotte auf zehn Räder angewachsen – und Lastenrad-Sharing hat sich auch in vielen anderen österreichischen Städten etabliert.

In Wien sind die Lastenräder des Kollektivs, für deren Anschaffung auf „Solifesten“ um Spenden geworben wurde, über die Stadt verstreut. Die Idee dahinter: Jeder soll eines in der Nähe haben. Wer etwas Größeres zu transportieren hat, sucht sich im Internet ein passendes Rad aus und nimmt Kontakt auf. Jedes Rad wird von einer bestimmten Person betreut. „Die Räder stehen aber nicht in Privatbesitz, sondern sind Allgemeingut“, erklärt Karl vom Lastenradkollektiv gegenüber dem DRAHTESEL: „Dadurch soll das Angebot langfristig stabil sein – nicht wie auf einer Verleihplattform, wo die Besitzer jederzeit entscheiden können, ihr Rad nicht mehr herzuborgen.“ Hinter Lastenrad-Sharing steckt freilich auch eine politische Idee, erläutert Karl: „Es geht uns auch darum, Alternativen zum allgegenwärtigen Kapitalismus zu schaffen.“

Ein E-Dreirad für Innsbruck

Den Wunsch nach einer lebenswerteren Stadt mit weniger Autos verspürten auch Sophia Neuner, Matthias Dusch, Wendelin Sponring, Tabea Eichhorn und Hannah Göttgens in Innsbruck, die im Jahr 2015 den ersten kostenlosen Lastenradverleih in der Stadt gründeten. Ein Dreiradler mit E-Antrieb wurde mit Spenden finanziert und steht nun an wechselnden Stationen zur Nutzung parat. „Es ist cool, zu zeigen, was ohne Auto alles möglich ist“, erläutert Tabea ihre Motivation. Um den Aufwand in Grenzen zu halten, funktioniert das Ausleihen teilautomatisiert über das Internet. Als Verleihstation dienen wechselnde Geschäfte – etwa das Cafe Crema oder Stefans Brotmanufaktur: Dort unterschreibt man ein Formular, zeigt den Ausweis her, zurückgebrachte Räder werden auf Defekte kontrolliert und der Akku wieder aufgeladen. Ähnlich läuft es mit LaRa in Wiener Neustadt, dem ersten freien E-Lastenrad in Niederösterreich.

Immer mehr freie Lastenräder

Ganz ähnlich funktioniert auch eine Lastenrad-Sharing-Initiative in Graz, die 2014 von drei IT-Unternehmern gegründet wurde. Zwei dreirädrige Lastenräder wurden vom Umweltamt der Stadt Graz finanziert. Den laufenden Betrieb übernehmen Ehrenamtliche.

Sowohl für die Innsbrucker als auch die Grazer Initiative ist der Kölner Lastenradverleih Kasimir Vorbild. Die Kölner haben eine umfangreiche Info- und Vernetzungswebsite aufgebaut. Dort ist z. B. nachzulesen, dass sich die Idee der freien Lastenräder mit wechselnden Stationen seit 2013 im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet. Weitere Lastenrad-Sharing-Angebote in Österreich sind auf der Website der Radlobby Österreich zu finden.