Kazachstan vor Almaty, Bettina, eindrucksvolle Ebene wird von Gebirgszügen durchkreuzt

Kazachstan vor Almaty, Bettina, eindrucksvolle Ebene wird von Gebirgszügen durchkreuzt

Vierzehn Monate waren unsere Autorinnen mit ihren Fahrrädern von Wien bis Malaysien unterwegs und legten dabei 15.500 Kilometer in 17 Ländern zurück. Für den DRAHTESEL haben sie ihre Erfahrungen zusammengefasst.

D U R S T

Um 5 Uhr früh läutet der Wecker. Aufsatteln bei Sonnenaufgang. Kühle Morgenfrische erfreut unsere Haut. Wir radeln die ruppige, aus Asphaltschollen bestehende Straße durch die Wüstenlandschaft Kasachstans. Die Sonne hüllt das Terrain in ein blasses Rot und klettert uns beängstigend schnell entgegen. Schon bald beginnt das fürchterliche Schwitzen. 45 Grad Celsius und nirgends Schatten. Zehn Liter Wasser trinkt jede von uns täglich – angereichert mit Salz und Zucker. Trotzdem sind wir dauernd durstig. Wie zwei Dörrzwetschken in Salzkruste kämpfen wir uns durch Sonne, Sand und Staub.

Kirgistan, die Jurten der Nomaden

Kirgistan, die Jurten der Nomaden

G A S T F R E U N D S C H A F T

Gletscherbedeckte 6.000er über einer Hochebene, die wie eine Mondlandschaft aussieht: So begegnet uns Tadschikistan. Erstaunlicherweise leben auch in dieser kargen Gegend Menschen. Wir kochen uns gerade Reis zum Abendessen, als eine Herde Schafe blökend um unser Zelt trottet. Begleitet werden sie von einem aufmerksamen Hütehund und dem dazugehörigen Hirten. Auf die Frage, ob wir ihm Schafsmilch abkaufen könnten, lädt uns der Hirte in seine Steinhütte ein. Er lebt hier oben auf 3.500 Meter in einfachsten Verhältnissen. Seine Frau bietet uns noch warmes Brot aus dem Steinofen und eine Tasse frisch abgekochter Schafsmilch an. Wir verständigen uns in einer wilden Mischung aus ein paar Worten Russisch und vielen Gesten. Immer wieder überrascht uns die liebevolle Gastfreundschaft aufs Neue. In allen Ländern sind wir sehr gastfreundlichen und hilfsbereiten Menschen begegnet.

Tadschikistan, Claudia, Pamir-High-Way, Hochebene auf 4000hm

Tadschikistan, Claudia, Pamir-High-Way, Hochebene auf 4000hm

WEITE

Ost-Tibet knapp sieben Radmonate von Wien entfernt. Wir strampeln schon seit vier Stunden Serpentine für Serpentine den Berg hinauf. Ob wir es heute noch auf den Pass schaffen? Der Ausblick macht alle Zweifel vergessen: Mächtige Berge umgeben uns, unten im Tal leuchtet der Herbstwald im Abendrot. Ein Hausdach glitzert im Sonnenlicht. Wir sind fasziniert von den aufwendig verzierten Fensterrahmen.

Zwei Kilometer vor dem Pass besteht die Straße nur noch aus Sand, Staub und Steinen. Ein Lkw quält sich an uns vorbei, hüllt uns in eine Wolke aus Staub und Russ. Vergeblich unser Versuch, den Atem in der dünnen Luft anzuhalten.

Endlich: Die letzten Meter. Tausende bunte tibetische Fahnen winken uns zu und feuern uns an. Ein berauschendes Gefühl: 4.700 Meter erklommen. Wir feiern mit den Fahnen und genießen den Fernblick, bis uns der kalte Wind den Berg hinunter treibt.

China, Ost Tibet, Gipfelfreude, Claudia

China, Ost Tibet, Gipfelfreude, Claudia

K Ä L T E

In der Dämmerung schlagen wir unser Zelt auf und verkriechen uns vor der nächtlichen Kälte in unseren warmen Daunenschlafsäcken. Dicke Wollhauben wärmen unsere träumenden Köpfe. Nur die tapferen Nasenspitzen bleiben der Kälte ausgesetzt.
Am Morgen weckt uns die Sonne. Es ist noch immer ziemlich kalt. Vor dem Frühstück heißt es Eis kratzen. Innen und außen am Zelt hat sich in der Nacht eine Eisschicht gebildet. Auch unser Wasser ist teilweise gefroren und muss erst von der Sonne aufgetaut werden. Bald ist es aber dank der Sonne auch auf 4.500 Meter wieder angenehm warm, und wir strampeln unserem nächsten Pass und Abenteuer entgegen.

China, Ost Tibet, Bettina wird von der Staubwolke eines LKWs verschluckt

China, Ost Tibet, Bettina wird von der Staubwolke eines LKWs verschluckt

M U T

Auf unserem Weg durch den thailändischen Nationalpark Khao Yai erwartet uns eine Überraschung. Eine etwa sechsköpfige Elefantenherde will die Straße kreuzen. Ein Auto ist abwartend und in sicherem Abstand stehen geblieben. Der Fahrer wirkt nervös. Wir wollen die grauen Riesen genauer bewundern und rollen mutig vor. Eine Elefantenmama und ihr Kleines kommen gemütlich aus dem Dickicht auf die Straße. Sie scheinen nicht ganz sicher zu sein, wohin sie wollen. Plötzlich erblicken uns die beiden grauen Gesichter. Die Elefantenmama wirft ihren Rüssel in die Luft und trompetet uns eine Warnung entgegen. Mit flatternden Ohren galoppiert sie auf uns zu. Angsterfüllt verstecken wir uns samt Rädern hinter dem Auto. Unsere rasante Flucht dürfte sie wieder beruhigt haben. Sie bleibt stehen und verschwindet dann gemächlichen Schrittes mit ihrem Kleinen ins Dickicht.

Tadschikistan Karakul See mit einem Horn eines Marco-Polo-Schafes

Tadschikistan Karakul See mit einem Horn eines Marco-Polo-Schafes

W A S B L E I B T?

Der Reichtum einer so langen Reise lässt sich niemals umfassend in wenigen Worten beschreiben. Unsere innere Landkarte hat sich mit unzähligen Eindrücken gefüllt. Die Gastfreundschaft in all den Ländern, die Triumphe auf hohen Pässen, das Gefühl, überall zu Hause zu sein, die Gesamtheit all dieser unglaublichen Erlebnisse haben uns Vertrauen in und Verbundenheit mit der Welt geschenkt. Wieder zurückgekehrt, wissen wir: Alles ist möglich.

Wir träumen von unserer nächsten Radreise durch Afrika.

TEXT UND FOTOS: Claudia Springer und Bettina Bogner

Veranstaltunghinweis:

Fotovortrag am 28. September 2016 an der VHS Urania: Zwei Träume, zwei Räder, eine Welt – Mit dem Fahrrad von Wien bis Malaysien. Kartenreservierungen bei der VHS Urania direkt an der Kurskassa und per Mail: kursanmeldung.urania@vhs.at Kursnummer: 16.01.7102.00.002.