Im Test: Trekking-Räder aus Stahl
Das DRAHTESEL-Test-Team hat Stahl-Trekking-Räder genauer unter die Lupe genommen. Wie bewähren sich die Räder von Contoura, Fuji, Intec, Pelago, Tout Terrain und VSF Fahrradmanufaktur?
Ein Testbericht von: Peter-Alexander Pöltl, Christian Gottschall, Stefanie Kousek, Isabella Klebinger, Jan Killian und Omo Lisboa. Fotografie: Andrea Siegl.
Vor nicht allzu langer Zeit galten sie als Inbegriff veralteter Technik: Fahrräder mit Stahlrahmen. Die Legierung aus Eisen, Chrom und Molybdän galt als zu schwer und teuer, um es mit modernen Leichtmetall-Rahmen aufnehmen zu können. Inzwischen feiert der Werkstoff ein Comeback. Immer mehr Produzenten heben Stahlräder ins Programm: Dauerhaftigkeit, schlanke Silhouette und nur geringfügig höheres Gewicht machen sie zu einer interessanten Alternative. Weiterer Vorteil: Stahlrahmen lassen sich problemlos löten und schweißen, wenn unterwegs einmal etwas kaputt geht.
PELAGO STAVANGER COMMUTER
Das Dekorative
Als ich das Pelago zum ersten Mal bei uns im Shop sehe, sticht es mir sofort ins Auge. Nicht der Herstellername dominiert die Optik, sondern die Präsenz von Stahl. Dazu: dezenter Metallic-Lack, polierte Alu-Schutzbleche und saubere Verarbeitung. Wirklich ein hübsches Teil, das auch an der Wohnzimmerwand hängend ausgesprochen dekorativ wäre. Nur fände ich das irgendwie komisch: Fahrräder sind zum Fahren da!
Die Vorfreude wächst. Ich dränge Marcin (den ARGUS-Shop-Werkstattleiter), endlich Pedale zu montieren und finde die SPD-Klickpedale, die er mir zeigt, gar nicht so unpassend. Eigentlich ist es mir aber egal, ich will fahren. Jetzt, in diesem Augenblick.
Der Sattel ist bereits in der richtigen Höhe, los geht`s. Argentinierstraße rauf, Gürtel gen Osten, Ampelphasen alle gemütlich erwischt. Ich bin etwas langsamer als mit meinem Vintage- Renner, was wohl an den Schutzblechen liegt: die verrichten beim gerade einsetzenden Regen und dem Queren der Wasserlacken gute Dienste. Die Kojaks – profillose Reifen – könnten etwas mehr Luft vertragen, fünf Bar sind mir zu wenig.
Wie fährt sich ein Stahlrad verglichen mit anderen Rädern? Dieses hier ist definitiv auf der robusten Seite. Wir biegen auf Kopfsteinpflaster ab, dann auf den unbefestigten Weg entlang des Bahndamms. Das Fahrverhalten ist gutmütig, der Wohlfühlfaktor hoch. Es erinnert mich an meinen ersten Halbrenner, mit dem ich als Jugendlicher viele Kilometer abgespult habe. Grundsolide verarbeitet hat auch das Pelago das Zeug zum langjährigen Wegbegleiter.
Fazit: Kein 08/15-Rad aus dem Sportgeschäft, sondern ein qualitativ hochwertiges Stadt- oder Reiserad: ein verlässlicher Begleiter für alle Wege. Einziger Kritikpunkt: Offenbar ist die Montage eines Ständers nicht vorgesehen.
INTEC F 10
Das Bequeme
Christian Gottschall
In der Vergangenheit habe ich nie besonders auf das Rahmenmaterial geachtet. Es gab immer genau eines, das bei vernünftigen Rädern in vernünftiger Preisklasse verbaut war. In meiner Kindheit und Jugend war das Stahl, später Aluminium.
Mein 1980er-Jahre-„Weltkrone“- Fünfgang-Versandhausrad, „made in Germany“, steht wahrscheinlich immer noch mit intaktem Rahmen in einem Geräteschuppen in der Buckligen Welt. Die Alu-Trekkingräder, die ich seither gefahren bin, sind hingegen alle einem Rahmenbruch zum Opfer gefallen – natürlich spontan und unangekündigt. So war es auch bei meinem ersten, schon etwas besseren Rad, einem Gudereit LC45, dessen blauer Aluminiumrahmen gerade einmal zwei Jahre durchhielt. Der Alu-Tauschrahmen war dann die letzten sieben Jahre im Einsatz.
Dennoch begleitet mich all diese Jahre der Entschluss, als nächstes wieder ein Rad aus Stahl zu kaufen. Tatsächlich gibt es inzwischen Stahlrahmen, die auch nicht viel mehr kosten als ein ordentliches Aluminiumrad. Und so wurde es kein neues Rad, sondern bloß ein neuer Rahmen zu den Komponenten des LC45.
Tatsächlich war der schlanke Rahmen so etwas wie ein ästhetischer Flash. Der alte Alu-Rahmen kam mir im Vergleich dazu klobig und schwer vor. Was ich zunächst für aus Begeisterung gespeiste Einbildung hielt, bestand den Test auf der Waage: Im Originalzustand hatte das Gudereit-Rad eine Federgabel. Mit dem Stahlrahmen kam auch eine Stahlgabel ohne Stoßdämpfer. Damit rutschte das Gesamtgewicht des neuen etwas unter das des neuen etwas unter das des alten Rades.
Fazit: Der Stahlrahmen ohne Federgabel fährt sich genauso bequem wie der Alurahmen mit. Dabei ist die Optik eleganter. Kein schlechter Tausch, würde ich sagen.
CONTOURA SALERNO
Die Friendzone
“Es tut mir leid”, muss ich ihm am Ende gestehen, „es liegt nicht an dir!”. Woran es liegt, weiß ich selbst nicht so genau. Schließlich tut das Contoura Salerno wirklich alles, was ein Fahrrad tun soll: Es rollt leicht, lenkt wendig, schaltet mühelos und bremst brav. Mit seiner leistungsstarken Lichtanlage sorgt es für Sichtbarkeit. Der mit 25 Kilogramm Gepäck belastbare Racktime-Gepäckträger hält nicht nur Lehrbücher, Arbeitsunterlagen und Einkäufe, sondern auch Reisegepäck für kürzere Touren.
Einziges Manko, das ich benennen kann: Die Curana-Schutzbleche, die laut Hersteller, „für einen cleanen Look” sorgen sollen. Was die Optik betrifft, hat der Hersteller damit durchaus Recht. Allerdings erstreckt sich die Sauberkeit leider nicht auf mein Gewand: Weil die Bleche für die Reifen zu schmal sind, ist meine Hose nach jeder Regenfahrt mit Gatschspritzern übersät.
An den Kotflügeln liegt es aber auch nicht, dass in mir keine rechte Euphorie aufkommen will. Von meinen eigenen Rädern (alt, verbastelt, immer ächzend oder quietschend) bin ich es nicht gewohnt, dass sie einfach so funktionieren. Immer laborieren sie an irgendwelchen Wehwehchen. Vielleicht sind es genau ihre Schwächen, die meine Leidenschaft für sie wecken.
Und Leidenschaft ist etwas, das ich beim Salerno – trotz aller praktischer Vorteile – vermisse. Nach drei Wochen miteinander besteht auch keine Hoffnung mehr, dass wir je aus der friendzone finden. „Sie gehen verschiedene Wege – das ist ja auch okay”, sagt mein Horoskop heute. „Adieu, Salerno!” sag ich, „du hast eine Bessere verdient als mich!”
Fazit: Nicht meine große Liebe, aber auf jeden Fall ein zuverlässiger Partner für Touren und Alltagswege.
FUJI TOURING
Das Flotte
Isabella Klebinger
Das Fuji Touring ist ein eleganter Randonneur – ein für flottes Reisen optimiertes Stahlrahmenrad mit Rennlenker. Ich hatte Gelegenheit, das Fahrrad eine Woche lang ausgiebig zu testen. Der späte Wintereinbruch verhinderte allerdings ausgedehnte Touren ins Wiener Umland. Immerhin nahm ich das Fuji mit auf eine große Runde über die Donauinsel und testete es in allen Situationen des urbanen Alltags.
Eins gleich vorweg: Das Fuji Touring ist gut ausgestattet. Hinten ist alles bereit für jede Menge Gewicht und Packtaschen – da kommen auch gleich meine Einkäufe drauf. Nach dem ersten Schwung in den Sattel auf der Westbahnstraße ist die Freundschaft besiegelt: Das Rad fährt sich solide und dynamisch. Die Schaltung an den Lenkerenden ist für mich anfangs gewöhnungsbedürftig, macht aber nach kurzer Zeit bereits Spaß. Vor allem der ausladende Rennlenker hat es mir angetan, er schafft ein sicheres und stabiles Fahrgefühl.
Auch die Optik des Stahlrades ist gut gelungen. Apropos attraktiv: Das Fuji hat nicht nur mir gefallen – auch bei unbeteiligten Dritten weckte es Neugierde. So radelte mir auf der Strecke zwischen Urania und Schwedenplatz plötzlich ein motivierter Herr hinterher, der mir kurz zuvor auf dem Radweg entgegengekommen war. „Was ist das denn für ein tolles Fahrrad?“, rief mir mein Verfolger zu, der kurz zuvor einen U-Turn hingelegt haben musste. Ich sagte ihm, dass es sich um ein Fuji Touring handele, musste schmunzeln, und riet ihm, für mehr Informationen den nächsten DRAHTESEL zu lesen…
Fazit: Solides und wendiges Fahrgefühl, und sicher ein würdiger Begleiter für die nächste große Fahrradreise.
TOUT TERRAIN TANAMI XPLORE EXPEDITION PREMIUM
Das Unzerstörbare
Die fremdsprachenaversen Franzosen bezeichnen als Velo Tout Terrain das, was der Rest der Welt Mountainbike nennt, wortwörtlich übersetzt: ein Rad für jedes Gelände. Das Tanami Xplore kommt dieser Definition recht nahe, denn es ist als Expeditionsrad für unbefestigte Straßen und Touren jenseits der 1.000 Kilometer konzipiert, fernab von Zivilisation und Werkstätten.
Keine Schrauben, Ketten, Flüssigkeiten oder Zahnkränze waren erlaubt. Leichtbau übrigens auch nicht – 17,5 Kilogramm sind der Preis der Unzerstörbarkeit. Die Ausstattung wurde kompromisslos dem Primat der Wartungsfreiheit unterworfen. Beispiel eins: die Schaltung. Das gekapselte Pinion Getriebe verwaltet eine Spreizung von sensationellen 636 Prozent in Form von 18 perfekt abgestuften Gängen. Das Antriebskapitel verhandeln ein Carbon Drive Riemen und oversized Naben. Für die Logistik verantwortlich zeichnet ein Gepäckträger, der tragender Teil des Dedacciai Cro-Mo Rahmens ist und für bis zu 40 Kilogramm Ladung geradesteht.
In der Abteilung für Laufruhe, Federung und Speed sind pannensichere 29 Zoll Big Ben Ballonreifen von Schwalbe zugange. Und weil das Xplore wirklich „tout terrain“ ist, übernimmt das Xplore auch sämtliche Aufgaben eines Alltagsrades. Denn trotz seiner auf Resilienz optimierten Bauweise, ist das Tout Terrain erstaunlich elegant und, wo es möglich ist, filigran. Mit voll aufgepumpten Semi-Slicks bewältigt man très rapide den Weg zum Arbeitsplatz, während sich das Smartphone am integrierten USB Port auflädt.
Ob man im Büro ankommt, hängt dann nur noch von der Kraft des Widerstandes ab – des Widerstandes gegen die Versuchung, an der nächsten Ampel für zwei Jahre auf die Seidenstraße abzubiegen.
Fazit: Kompromissloses Expeditionsrad mit herausragenden Komponenten, das auf Wartungsfreiheit optimiert wurde. Dementsprechend ist auch der Preis.
VSF FAHRRADMANUFAKTUR T-100S
Das Solide
Zwischen Schneesturm eins und Schneesturm zwei dieses Tages hole ich mein Testrad ab, packe den Ranunkelstrauß auf den Gepäckträger und ab geht’s. Ranunkeln mag ich, weil sie Hoffnung schenken, dass die warme Jahreszeit nicht mehr weit ist.
Aber ich schweife ab. Gilt es doch, einen Testbericht zu verfassen. Konkret: Zum neuen Stahl-Trekkingbike der vsf Radmanufaktur. Meine Pläne, das Rad auf Herz und Nieren zu prüfen, stocken leider in Schneematsch und Salzschleim des späten Wintereinbruchs. Den Unterschied zwischen Alu und Stahl kann ich daher nicht selbst „erfahren“: dazu müsste ich wohl länger und auch abseits der Straßen unterwegs sein.
Was ich sagen kann: Das vsf funktioniert tadellos, wie man es von einem neuen Rad des deutschen Herstellers erwarten kann. Auf meinen gewohnten Strecken bin ich – auch mit zwei vollbepackten Fahrradtaschen – spürbar schneller. Der eine oder andere persönliche Strava-Rekord ging sich aus.
Detail am Rande: Die Ranunkeln haben die Minusgrade gut überstanden. Und es wurde doch noch Frühling…
Fazit: Optisch sehr ansprechend ist das vsf mit Trapez-, Anglais- oder Diamantrahmen und in vielen Farben erhältlich.
Der DRAHTESEL Stahl-Trekking-Räder-Test auf einen Blick
Wir bedanken uns bei Cooperative Fahrrad (fahrrad.co.at), enzovelo (enzovelo.at) und ig-fahrrad (ig-fahrrad.at) und für das Zur-Verfügung-Stellen der Test-Räder!
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