Matthias Bernold über einen öffentlichen Diskurs, der von Feigheit und Einfalt dominiert wird

Angst und Einfalt bestimmen derzeit den öffentlichen Diskurs. Angst vor Asylwerbenden, Angst vor sozialem Abstieg, Angst vor einem Umbau der Städte, der nicht mehr das Auto in den Mittelpunkt stellt, sondern den Menschen. Prächtig gedeiht in diesem furchtsamen Klima eine Politik der einfältigen Parolen. Statt Lösungen zu erarbeiten, zünden die Großsprecherinnen und Großsprecher Blendgranaten – Stichwort: Burkaverbot.

In der Verkehrspolitik ist es ähnlich: „Auf dem schnellsten Weg nach Hause – auch mit dem Auto!“, druckt die ÖVP auf ihre Plakate in der Leopoldstadt. Mit der FPÖ liegt sie in einem obskuren Streit zur Frage, wer sich stärker dafür einsetzt, einen Radweg in der Wipplinger Straße zu verhindern. (Dort will die Stadt Wien vernünftigerweise die längst fällige Ost-West-Querung durch die Innenstadt verlaufen lassen. Anm.)

Die Boulevard-Presse heizt die törichte Stimmung weiter an. Wo sicherheitsfördernde Maßnahmen im Straßenverkehr gesetzt werden, startete ein Kleinformat eine Kampagne zu „Schluss mit Schikanen für Autofahrer“. Untertitel: „So werden Autofahrer in Wien bis aufs Blut gequält.“ Dass sich Verkehrsberuhigung und Radverkehr weltweit in den Metropolen gegen Stau, Lärm und Dreck bewähren, wird ausgeblendet.

Nebenwirkung dieser durch soziale Medien weiter vervielfachten Einfalt ist eine Täter-Opfer-Umkehr. Plötzlich sind nicht mehr die Kriegsflüchtlinge im Zelt zu bedauern, sondern die Satten in ihren geförderten Wohnungen. Plötzlich sind nicht mehr die Blechkisten, die zwei Drittel des öffentlichen Raums in Beschlag nehmen, das Übel. Sondern jene, die sich darum bemühen, Städte umweltfreundlicher und sicherer zu gestalten. Dies schafft jenen ein Gefühl der moralischen Überlegenheit, die sich rücksichtslos verhalten und die ihren eigenen Vorteil über den der Allgemeinheit stellen.

Wie aber der Einfalt begegnen? Mit Frust oder Rückzug aus dem öffentlichen Raum? Fahrrad an die Wand hängen, statt bei der nächsten Critical Mass mitzufahren?

Matthias G. Bernold, Chefredakteur

Matthias G. Bernold, Chefredakteur

Besser: den Ärger in etwas Sinnvolles lenken. Zum Beispiel eine Grätzloase vor der Haustüre anmelden (noch bis 7. November läuft die Einreichfrist für das Jahr 2017; www.graetzloase.at), die Nachbarn dazu motivieren, für eine Tempo-30-Zone zu kämpfen oder sich mit Gleichgesinnten für bessere Radinfrastruktur starkmachen. Unsere Zukunft ist zu kostbar, um sie den Angsthasen und den Einfältigen zu überlassen!

Mahalo